Deutsche Demokratische Republik: Politisches System

Deutsche Demokratische Republik: Politisches System
Deutsche Demokratische Republik: Politisches System
 
Parallel zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland entstand auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone mit der Verabschiedung einer Verfassung am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik. Der am 30. Mai 1949 aus der Volkskongressbewegung gebildete 2. Deutsche Volksrat konstituierte sich selbst an diesem Tage als provisorische Volkskammer zum Parlament des neuen Staates. Am 10. Oktober 1949 bestimmten die fünf Länderparlamente der sowjetischen Zone eine provisorische Länderkammer aus 34 Abgeordneten. Volkskammer und Länderkammer wählten am 11. Oktober 1949 den SED-Vorsitzenden Wilhelm Pieck zum ersten Präsidenten der DDR; am 12. Oktober bestätigte die Volkskammer die erste DDR-Regierung unter dem Ministerpräsidenten Otto Grotewohl. Die ersten Wahlen zur Volkskammer fanden am 15. Oktober 1950 auf der Grundlage einer Einheitsliste der Nationalen Front statt, bei 99,7 % Ja-Stimmen. Dieses Wahlsystem, das keine Alternative zuließ, wurde bis zum Ende der SED-Diktatur beibehalten.
 
Die erste Verfassung der DDR erinnerte noch stark an die Weimarer Verfassung. Sie bezeichnete Deutschland als eine »unteilbare demokratische Republik«, die sich auf den Ländern aufbaut. Sie garantierte die Grundrechte des Bürgers, so zum Beispiel die Rede-, Presse-, Versammlungs- und Religionsfreiheit und nannte auch das Streikrecht. Sie gewährleistete das Eigentum und bestimmte gleichzeitig: »Die Wirtschaft hat dem Wohle des ganzen Volkes und der Deckung seines Bedarfs zu dienen.« Der Staat sollte durch seine gesetzgebenden Organe den öffentlichen Wirtschaftsplan aufstellen. Obwohl die Verfassung einen gesamtdeutschen Anspruch erhob und viele demokratische Grundsätze verkündete, wurde sie sehr bald als Instrument der politischen Unterdrückung benutzt. Der berüchtigte Artikel 6, der u. a. »Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen« als Verbrechen bezeichnete, diente als Grundlage für die politische Justiz, die rigoros gegen tatsächliche und vermeintliche Gegner des neuen Staates vorging. Schon nach kurzer Zeit wurde deutlich, dass die Verfassung nur noch wenig mit der tatsächlichen Struktur des politischen Systems übereinstimmte. 1952 ersetzte man die fünf Länder Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durch 14 Bezirke, ohne dass eine entsprechende Verfassungsänderung für nötig erachtet wurde.
 
Die politische Macht in der DDR wurde nicht durch den Staat und seine Organe, sondern durch die Leitungsgremien der SED ausgeübt. Das Politbüro der SED war das eigentliche Machtzentrum der DDR, der Apparat des Zentralkomitees, der mehr als 2 000 Mitarbeiter umfasste, war der Staatsverwaltung übergeordnet und übte eine weit reichende Kontrolle über die Staatstätigkeit aus. Das Zentralkomitee der SED, eine Art Parteiparlament, das im Abstand von einigen Monaten tagte, diente in erster Linie zur öffentlichen Verkündigung politischer Richtlinien, es übte nur selten und in Ausnahmefällen eine gewisse Kontrollfunktion gegenüber der Parteiführung aus, die ihm satzungsgemäß zustand. Wie gering die SED die Bedeutung der Verfassung für die Staatspolitik einschätzte, zeigt die Tatsache, dass erst 1968 eine neue »sozialistische Verfassung« verabschiedet wurde, die das in der DDR entstandene politische System charakterisierte und erstmals auch offiziell den Führungsanspruch der SED als Verfassungsgrundsatz postulierte.

Universal-Lexikon. 2012.

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